Single-channel video, 50’03’’, loop 16:9 cut to 3:2, stereo, projected on wall, installed at Cantonale Berne Jura, Kunsthalle Bern, Bern CH, 2022, photo: David Aebi



Händels Adagio, das jede:r Cinephile unweigerlich mit der abenteuerlichen Parabel von Stanley Kubricks Barry Lyndon in Verbindung bringt, wird zum obsessiven musikalischen Thema von Aglaia Brändlis Film, dessen anderes Thema, das visuelle, die vier Hardau-II-Türme in Zürich sind, welche für Bahnreisende den Gruss der Stadt bei Ankunft und Abfahrt darstellen. Aber ist es wirklich die Struktur «Thema und Variationen», die im Zentrum der Erfahrung von Wenn wir blinken können wir das Rauschen sehen steht? Oder die Synästhesie, auf die der Titel hinweist? Der Schnitt des Films zeigt, dass das Prinzip der Variation vielleicht weniger wichtig ist als das Prinzip der Wiederholung, denn die «Hauptregel» ist die Suche der Kamera nach den Türmen – und die Sequenzen werden systematisch dort unterbrochen, wo die Kamera nicht mehr an den Türmen hängen bleiben kann. Wer Variationen zu erforschen sucht, wird frustriert sein, und wer in obsessiver Wiederholung das Verlangen verspürt, den immer unerfüllten – und damit angetrieben – Wunsch, das Ersehnte nicht aus den Augen zu verlieren, wird zufrieden sein. Auf jeden Fall wird man nach dieser filmischen Erfahrung die Hardau-Hochhäuser nahe am Bahngleis in Zürich mit anderen Augen sehen. Die passive Bewegung der Kamera wird so zum Ausdruck eines ungewollten Schicksals, der Erneuerung eines Abbruchs der Kontemplation. Wenn wir blinken können wir das Rauschen sehen ist ein Film über Verlust und Sehnsucht. Eine Melancholie, die der Flucht der bewegten Bildern eigen ist. Kino als Schachmatt. (GDS)

Giuseppe Di Salvatore

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